Sonntag, 18. Januar 2015

Zum Thema Special School



Der folgende Eintrag ist etwas anders aufgebaut, da alles irgendwie ein komplettes Hin und Her war und ich selbst nie so richtig wusste was ich tun soll. Und am Ende stand ich dann vor der Frage, wie ich das am sinnvollsten in meinen Blog schreibe ohne dass ein riesen Durcheinander entsteht: Es ist jetzt quasi wie ein Tagebucheintrag.


Eintrag vom 12.01.2015

Hallo zusammen,

ich habe mich jetzt mal über die Sache mit der Sonderschule genauer informiert.
Der Spender (auf den die Sonderschule angewiesen ist, da er Miete, Wasser, Strom, etc. bezahlt) hat seine Unterstützung aufgrund von Problemen mit dem Government zurückgezogen. Das Land führt allerdings immer noch Diskussionen mit dem Spender, weshalb Mr.Muzungu (der Schulleiter) auch eine Woche in Nairobi war. Bis jetzt arbeitet dort niemand, beziehungsweise nur diejenigen, die vom Staat angestellt sind und dort sein müssen. Die Kinder, die ein Zuhause haben, wurden nach Hause gebracht, ein paar Kinder sind noch in der Special School. 

Anmerkung: Was hier vielleicht auch interessant ist – das wusste ich vorher auch noch nicht – ist, dass die Kinder in der Sonderschule leben. In Deutschland haben wir zwar auch unsere Wohnheime und alles, aber hier leben sie wirklich in der Schule!

Die Kinder, die noch in der Schule sind haben jetzt aber nichts mehr, wie ich bei meinem letzten Eintrag schon geschrieben habe. Sie haben nicht mal Wasser um sich zu waschen.
Eventuell ändert sich etwas sobald der Lehrerstreik vorbei ist. Die Lehrer streiken hier einmal jährlich. Das kann dann eine Woche, aber auch einen Monat dauern. Die Schule hat letzten Montag (05.01.15) offiziell wieder angefangen, seither streiken die Lehrer aber. Außerdem ist es auch nicht sicher, dass sich etwas ändert wenn der Streik vorbei ist.
Im Moment ist auf jedenfall niemand dort, der Volontäre wie mich einführen und beaufsichtigen kann, daher ist es nicht möglich in die Special School zu gehen.

Ich will aber nochmal mit Jacque und vielleicht auch mit Mr.Muzungu selbst reden. Falls es nach dem Lehrerstreik jemanden gäbe der mich einführen und beaufsichtigen kann, dann würde ich trotzdem gerne in die Special School gehen, auch, wenn ich den Unterricht selbst vielleicht nicht mitbekomme. Es gibt aber trotzdem einiges zu sehen, zu lernen und einiges zu tun vor allem. Ein Teil der Kinder ist ja trotzdem da und diese Kinder brauchen ihre Pflege und jemand der sich um sie kümmert und ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Und die Anzahl der Betreuer die im Moment da sind, weil sie es müssen, ist einfach viel zu niedrig, als dass sie sich um jedes Kind genug kümmern können.
Ich würde einfach die Betreuer/Lehrer die noch da sind gerne ein bisschen unterstützen. 

Es ist mir durchaus bewusst, dass ich an der Situation selbst nichts dran ändern kann und auch, dass ich alleine keine 10 weiteren Lehrer oder so ersetzen kann. Will ich ja auch gar nicht. Aber es macht mich einfach traurig zu sehen, wie hier mit Menschen mit Behinderungen umgegangen wird. Und ist es nicht auch schon etwas wert, wenn ich wenigstens einen Teil meiner Zeit hier mit den Kindern verbringen kann und zumindest mal da sein kann? Wenn ich mir Berichte von früheren Volos in der Special School durchlese, dann zeigt es nämlich genau das: selbst wenn man nicht großartig was macht, alleine da zu sein hilft ihnen schon viel. 

Vielleicht wird die Zeit nicht gerade einfach werden, das alles mitanzusehen, ich weiß es nicht. Aber versuchen kann ich es doch mal?
Ich bin hier um die afrikanische/kenianische Kultur kennenzulernen. Aber es ist im Moment noch schwer für mich die Art und Weise wie die Kultur, beziehungsweise die Leute hier, mit den Menschen mit Behinderungen umgeht zu verstehen und zu akzeptieren.
Sie werden ausgeschlossen, abgewertet, abgestoßen und abgeschoben. Sie werden für das Negative/Unglück in der Familie verantwortlich gemacht und außerdem hat jede Familie, die ein behindertes Kind hat, in seinem Leben etwas falsch gemacht, also ist das die Strafe dafür.
Deswegen bringen die Eltern ihre Kinder auch so schnell wie möglich in die Sonderschule, dass es ja niemand mitbekommt, dass sie ein behindertes Kind haben.
Aber so ist die Kultur hier halt.
Das ist auch in Südafrika so und dieses Land ist ja wirklich schon sehr weit entwickelt. Ich versuche immer, die Menschen zu verstehen warum sie so denken, aber es fällt mir sehr schwer. Und es ist dann auch nicht schön mitanzusehen, wie mit den Menschen dann umgegangen wird, weil sie das einfach nicht verdient haben. Sie haben ihre ganz eigenen Besonderheiten, aber die werden ganz einfach übersehen.
Neulich ist eine Frau mit ihrem Behinderten Kind im Matatu gefahren, hatte es auf dem Arm und hat sich um das Kind gekümmert. Ich musste plötzlich so anfangen zu strahlen, weil es hier einfach so selten ist sowas zu sehen.
Man muss also auch sagen, dass sich schon viel verändert hat in den letzten Jahren – die Menschen mit Behinderungen werden nicht mehr wie Tiere behandelt und in Käfige eingeschlossen…vielleicht passiert es ja wirklich irgendwann, dass sie in der Gesellschaft akzeptiert werden.


Eintrag vom 14.01.2015

Heute hatte ich ein kurzes Telefonat mit Jacque, wie wir fortfahren. Ich habe mir heute Morgen einen katholischen Kindergarten angeschaut – mein Plan B. Dort sind momentan 5 Kinder, es werden aber im Laufe der nächsten Woche mehr. Der Kindergarten wurde neu gebaut, hat eine schöne Lage und die Kinder haben viel Platz um draußen zu spielen. Ich denke das ist ein guter Plan B, außerdem waren die Kids total süß und die Sister die mir alles gezeigt hat war auch ziemlich nett.

Ich habe Jacque dann gefragt, ob ich mal selbst mit Mr.Muzungu sprechen kann. Seine Handynummer darf sie mir nicht geben, aber morgen früh um 9 Uhr kann Jenifer mich zu seinem Büro bringen, dort kann ich dann persönlich mit ihm reden.
Sie meinte aber, dass ich mir im Klaren darüber sein müsse, dass ich eventuell für manche Dinge für die Special School aufkommen sollte/müsse, wie zum Beispiel fürs Essen.

…aber das war ja irgendwie wieder klar: Der Muzungu (in dem Fall dann ich und nicht der Schulleiter) hat ja Geld, der kann zahlen!
Naja, mal schauen was sich da morgen so ergibt…


Eintrag vom 15.01.2015

Charly ist zu dem Gespräch mit Mr.Muzungu mitgekommen – vielleicht will sie auch ein paar Tage in die Special School gehen.
Mr.Muzungu ist ziemlich nett und locker drauf. Witzig ist, dass er schwarz ist und „Muzungu“ heißt.  Er meinte, dass wenn wir in die Special School kommen er uns für unsere Zeit hier eine Bewertung schreibt und, dass bevor wir gehen wir zu „afrikanischen Frauen“ gemacht werden. Es wird eine kleine Feier organisiert und ein Baum gepflanzt…klingt interessant!
Von irgendwelchen Spenden hat er allerdings nichts erwähnt und auch über eine mögliche Schließung der Sonderschule ist kein einziges Wort gefallen. 

Er hatte ein paar Fragen an uns, aber irgendwie habe ich den Zeitpunkt verpasst meine Fragen zu stellen. Ich denke ich muss ihn da nochmal kontaktieren, denn ich habe noch einige Fragen offen.

Er hat dann jemanden gerufen, der uns ein bisschen herumführen sollte. Das war ein riesen Gelände! Wir sind zuerst zur Primary School gelaufen. Die war bestimmt so groß wie ein Fußballfeld. Und es gehen hier einfach so extrem viele Kinder zur Schule. In einer Klasse sind zwischen 50 und 60 Kindern und die Klassenzimmer sind etwa so groß wie die in Deutschland für maximal 30 Kinder. Aber sie haben einen sehr großen Hof in dem sie dann in ihrer Pause herumtoben können. 

Weiter gings mit der Special School...dort haben teilweise Zustände geherrscht! Aber gut, sie kennen es nicht anders. Sie sind so glücklich.
Es wird gerade ein neues Schul- und Wohngebäude gebaut (wieso, wenn die Schule doch geschlossen werden soll?!). Auch dieses Gelände ist einfach nur riesig.
Die Schlafräume waren vollgestellt mit Betten – so viele wie möglich in einen Raum. Manche Betten hatten Matratzen, andere nicht. Kissen und Decken habe ich keine gesehen und auch keine Schränke für die Kleidung der Kinder. Allgemein habe ich keine Kleidung gesehen außer der, die sie anhatten.
Die Klassenzimmer waren entweder leer oder sie hatten ein paar Tische und Stühle, die aber total eingestaubt waren. Es lag Müll herum, es war dreckig und alles total lieblos. Keine Farbe an den Wänden, keine richtige Einrichtung. Irgendwie sah alles ziemlich verlassen aus – wie so eine Geisterstadt.
Leider habe ich in dem Moment keine Bilder gemacht, aber falls ich mich für die Sonderschule entscheide habe ich ja noch oft genug die Möglichkeit dazu.

Ein paar Rollstühle sind in einer Reihe gestanden, die meisten davon waren aber kaputt. Nebendran ein Raum in dem Rollstühle bis zur Decke irgendwie übereinandergestapelt wurden. Sonderlich gut wird hier mit den Sachen sowieso nicht umgegangen…alles ist schnell kaputt oder fehlt.



Die Betreuer, die zurzeit sowieso unterbesetzt sind, da die Lehrer streiken, saßen im Schatten und haben miteinander geredet. Keiner hat nach den Kindern geschaut, sie haben sich nicht dafür interessiert ob noch alle da sind, ob es ihnen gut geht. Sie sind halt da, dass sie da sind. Machen tun sie nichts. Es gab ein paar, die man wirklich arbeiten gesehen hat, aber das war vielleicht eine Handvoll – für 45 Kinder!
Ein Kind saß alleine auf seinem Bett und niemand hat nach ihm geschaut. Es hatte eine Windel an und ich will gar nicht wissen wie voll die war und wie lange das Kind da schon saß! 

Viele andere sind  uns hinterhergerannt, mit uns mit gelaufen, haben uns an die Hand genommen. Die Betreuer haben nicht einmal geschaut, wo die Kids hingehen. Eins von denen, die mit uns mitgelaufen sind, hatte die Hose voll. Das Kind kann nicht reden – kann sich also auch nicht bemerkbar machen, dass es mal auf die Toilette sollte. Wirklich niemand hat sich dafür verantwortlich gefühlt die Hose zu wechseln! Ich habe mich gefragt, wozu die Leute überhaupt da sind…die bekommen ja eh nichts mit.

Es haben in dem Moment einfach so viele Eindrücke auf mich eingewirkt. Ich habe mich total komisch gefühlt. Es ist einfach alles viel zu groß, viel zu voll, viel zu unorganisiert und chaotisch und viel zu unübersichtlich. Es fehlt ein wenig die Struktur, aber das ist bei so einem riesen Gelände und bei so vielen Kinder wahrscheinlich nicht möglich. Außerdem ist das halt Kenia. Hier ist eh alles unorganisiert und hat keine Struktur.

Immer wieder habe ich in meinen Gedanken Vergleiche zu der Sonderschule in Mariaberg gezogen, in der ich bei meinem Bogy eine Woche war. Man kann das einfach nicht miteinander vergleichen. Es sind Welten! In Deutschland würden die Zustände nicht akzeptiert werden.

Ich muss jetzt erstmal eine Nacht darüber schlafen und die Eindrücke verarbeiten. Es ist schwierig sich die Arbeit dort vorzustellen, wenn man es anders aus Deutschland gewöhnt ist. Aber das ist die Herausforderung!
Ich will heute noch keine Entscheidung treffen, aber ich denke, dass ich zwei Tage in der Woche in die Special School gehe und nochmal zwei Tage in den Kindergarten. Das ist dann ein schöner Ausgleich. 

Bevor ich mich aber festlege habe ich noch ein paar Fragen an Mr.Muzungu die ich gerne vorher geklärt hätte. Zum Beispiel wäre es gut zu wissen, ob wir zu bestimmten Klassen zugeteilt werden (wenn es sowas überhaupt gibt) und dort dann einen Ansprechpartner haben, der uns auch Aufgaben gibt oder ob wir auf uns alleine gestellt sind, was hier in Kenia ja scheinbar öfter der Fall zu sein scheint. 

Naja, ich muss mal schauen. Aber es war irgendwie total schön zu sehen wie sie alle gleich hergerannt sind und uns umarmt haben, die Hand halten wollten und uns ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt haben. Das sind dann halt wieder die schönen Seiten…


Eintrag vom 18.01.2014

Gestern habe ich kurz mit Jacque geredet. Ich habe sie seit ich in der Sonderschule war nicht mehr gesehen. Sie hat mir dann noch einen Plan C genannt: Der Kindergarten in der Primary School direkt neben der Special School. Und falls das nichts ist gibt es dann noch den allerletzten Plan D: Das Children’s Home. Aber ich denke ich bleibe bei meinem Plan A und Plan B.

Ich habe mich dazu entschieden zwei Tage in der Woche in die Special School zu gehen und zwei Tage in den katholischen Kindergarten. Das ist auf der einen Seite ein guter Ausgleich für mich neben den kranken Kindern auch die kleinen und gesunden zu sehen, auf der anderen Seite bekomme ich mehr Eindrücke und sehe die unterschiedlichen Arbeitsweisen. Außerdem habe ich im katholischen Kindergarten die Möglichkeit die Kinder besser kennenzulernen, weil es einfach nur fünf sind im Moment. 

Die Sonderschule wird am Anfang sicherlich eine ziemliche Herausforderung sein und wird mich viel Überwindung kosten, aber ich will es zumindest mal versuchen. Damit aufhören kann ich dann immernoch, wenn ich sehe, dass es nichts für mich ist. 

I hope it’s worth it, even when it’s not easy!

Hoffentlich klappt das dann alles so wie ich mir das vorgestellt habe. Ich muss morgen früh erst mal Mr.Muzungu anrufen und ihn fragen ob es reicht nur zwei Tage in der Woche zu kommen. Außerdem muss ich zum Kindergarten laufen und auch dort nachfragen. Es wäre schön, wenn das funktionieren würde…

Letztendlich bin ich aber sehr froh eine Entscheidung getroffen zu haben. Ich habe meine Meinung darüber wirklich jeden Tag gefühlte zehn Mal geändert und wusste einfach nicht was ich tun soll.

Ich hoffe jetzt nur, dass ich mich für das Richtige entschieden habe – ich werde euch darüber informieren!
Bis bald,
eure Mara

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